Matthias, du wechselst von einem Benziner zu einem Elektroauto. Warum gerade jetzt?
Als ich vor vier Jahren den Firmenwagen meines damaligen Arbeitgebers abgab und als Freelancer zu arbeiten begann, kaufte ich den Benziner. Es war ein Vernunftkauf: günstige Anschaffung, gute Ausstattung und akzeptabler Verbrauch. 2017 gab es für mich noch zu viele Hürden für ein Elektroauto. Jetzt ist die Zeit aber reif dafür.
Für welches Auto hast du Dich entschieden?
Für einen Audi Q4 e-tron. Er gefällt mir optisch, hat eine ordentliche Reichweite und viele technische Finessen, auf die ich mich freue. Auch der Škoda Enyaq hätte mich interessiert. Den Ausschlag für den Audi hat dann ein internes Angebot für Mitarbeitende gegeben, mit dem man den Audi 12 Monate lang zu einem Fixpreis fahren kann. So kann ich ideal testen, ob die E-Mobilität für mich im Alltag der richtige Weg ist.
Du beschäftigst dich schon seit 2017 mit dem Umstieg auf ein Elektroauto. Warum ist es erst jetzt so weit?
Damals stand ich vor diversen Hürden, die sicher viele Leute kennen. Ich wohnte damals zur Miete und in unserer Überbauung gab es keine Ladeinfrastruktur. Auf eigene Kosten eine Wallbox zu installieren war aufgrund der vorhandenen Technik im Haus zu teuer. Mit dem Vermieter konnte ich damals keine für beide Seiten brauchbare Lösung aushandeln. Ausserdem war die Abrechnung der Kosten für den Strom ungelöst, da der Verbrauch nicht auf meinen Zähler gelegt werden konnte.
Gab es noch andere Gründe?
Ja. Bei uns im Dorf fehlte eine öffentliche Lademöglichkeit. Gespräche mit der Gemeinde führten zu keinem Ergebnis. Dazu kamen die damals noch recht hohen Anschaffungskosten für ein Elektrofahrzeug und die noch eher geringe Auswahl an Modellen. 2021 sieht es nun gänzlich anders aus. Die Auswahl an Elektrofahrzeugen ist viel grösser und das allgemein bessere Verständnis für die Elektromobilität hat einige Hürden abgebaut. 2022 werden wir in eine neu erstellte Eigentumswohnung ziehen, wo es eine vollständige Ladeinfrastruktur hat – inklusive Lademanagement und Abrechnung. Ich denke aber, das Thema «Laden als Mieter» ist und bleibt auch 2021 eine grosse Herausforderung.
Was fasziniert dich besonders an der Elektromobilität?
Ich finde es grundsätzlich sehr spannend, dass wir erst jetzt, 100 Jahre nach dem ersten Höhepunkt, damit durchstarten. Denn die Elektromobilität ist ja alles andere als neu. Zudem bin ich sehr gespannt auf die Verbesserungen und Weiterentwicklungen im Bereich der Batterietechnologien. Die Lithium-Ionen-Batterie ist sicher auch nur ein Zwischenschritt. Zudem mag ich die vielen Facetten der E-Mobilität, sie ist ja nicht nur auf batteriebetriebene Autos beschränkt.
Wie sieht es mit dem Fahrerlebnis aus?
Klar, die Performance eines Elektromotors bei der Beschleunigung ist natürlich sehr eindrücklich. Dazu kommen die reduzierten Geräuschemissionen, zumindest beim langsamen Fahren. Die Abrollgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten werden hoffentlich von den Reifenherstellern noch minimiert werden können. Natürlich freue ich mich auch auf das One-Pedal-Driving, wodurch weniger Feinstaub durch das Bremsen entsteht.
Machst du dir Gedanken über die Versorgungssituation mit Strom?
Es ist klar, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind. Regenerative Energien haben wir dagegen beinahe unendlich viele. Wir besitzen heute schon die Technologien, um diese zu nutzen und werden darin immer besser. Auch die Forschungen im Bereich der Kernfusion spielen hier mit hinein. Ich beobachte dies mit grossem Interesse. Die Energiemenge ist meiner Meinung nach kein Problem, sondern die Logistik bzw. die Distribution dieser Energie. Ich meine die Herausforderungen, dass insbesondere regenerative Energien aus Wind und Sonne nicht immer dann anfallen, wenn wir sie brauchen. Und nicht immer dort, wo wir sie brauchen. Das werden wir sicher auch lösen. Hier gibt es bereits gute Ansätze, Ideen und bestehende Lösungen. Solange die Industrie Wasserstoff und grünes Methanol noch nicht energieeffizient herstellen kann, haben wir die Möglichkeit, auf die Umwandlung in Lageenergie zurückzugreifen, beispielsweise durch Stauseen. Insgesamt wird ein nachhaltigerer Kreislauf entstehen. Und gleichzeitig erforschen wir neue Technologien und bringen ganz neue Industrien hervor. Eine äusserst spannende Zeit – jede und jeder kann ein Teil davon sein.
Rechnest du auch mit gewissen Schwierigkeiten, die auf dich als Fahrer eines E-Autos warten?
Ja klar, alles andere wäre nicht die Wahrheit. Sorge macht mir meine Ungeduld, wenn ich einmal «schnell» unterwegs laden möchte. Oder ich denke an defekte Ladesäulen, sodass ich nicht mehr weiterfahren kann. Es ist dann halt nicht möglich, mit einem Benzinkanister zur nächsten Tankstelle zu gehen. Doch das sind wahrscheinlich zum Teil auch recht irrationale Bedenken vor der Veränderung und vor dem Neuen. Worauf ich mich sicher auch nicht freue, ist, dass es Ladesäulen von diversen Anbietern gibt. Somit muss man sich mit diversen Karten an der Säule identifizieren. Das könnte einfacher sein.
Wie sieht es bei dir mit der Ladesituation aus?
In unserer Überbauung gibt es immer noch keine Ladeinfrastruktur und kein einziges Elektroauto. Auch in der Gemeinde ist nach wie vor keine öffentliche Lademöglichkeit vorhanden. Doch seitens der Vermieter ist man nun bereit, eine einfache und günstige Übergangslösung zu finden. Und ab 2022 lade ich dann ganz bequem auf dem eigenen Parkplatz der Eigentumswohnung. Am Arbeitsplatz in Cham kann ich auch laden, allerdings bin ich viel im Homeoffice. Und nur zum Laden je 40 Kilometer hin und wieder zurück zum Arbeitsplatz zu fahren, ist auch keine sinnvolle Option und nicht im Interesse der Umwelt.
Macht dir die Reichweite kein Kopfzerbrechen?
Nein, überhaupt nicht. Seien wir ehrlich, die meiste Zeit fahren wir keine 100 Kilometer am Tag. Und die Schweiz ist ja auch nicht für ihre schnurgeraden Langstrecken-Highways bekannt. Zudem habe ich meine Fahrstrecken der letzten vier Jahre ehrlich und objektiv ausgewertet. Ergebnis: Ich habe den vollen Tank meines Diesel-Autos (eine Füllung reicht für ca. 1000 km) nicht einmal auf einer Fahrt leergefahren. Wir sind mit diesem Auto vor der Corona-Pandemie ein paarmal in Europa in die Ferien gefahren. Kaum eine Strecke war länger, als dass wir sie nicht auch mit einem E-Auto geschafft hätten. Wenn wir doch eine Pause gemacht haben, um uns zu entspannen, dann hätte diese auch dafür gereicht, ein E-Auto nachzuladen.
Im Alltag siehst du also keine Probleme?
Wichtig finde ich, die Ausnahme nicht zur Regel zu erklären und nicht danach zu urteilen: Also diese eine Fahrt nach Sizilien, wo man voll durchgefahren ist, zum Standard zu erklären. Dann müsste ich auch einen Transporter kaufen, weil ich ja einmal aus dem Baumarkt diese langen Bretter geholt habe. Dann müsste ich auch auf einen Spaziergang immer einen Schirm mitnehmen, denn der Regen hat mich ja einmal in den letzten Jahren überrascht. Fair und ehrlich zu sich selbst sein, ist wichtig. Dabei sollte man sich am realistischen Alltagsverhalten orientieren und nicht die hypothetische Möglichkeit als Massstab wählen. Zudem hat es einen Vorteil, dass ein E-Auto «nur» 300 bis 500 Kilometer schafft: Wir machen auf langen Fahrten öfter und bewusster eine Pause. Das ist für die eigene Entspannung gut und bringt zudem etwas mehr Sicherheit in den Strassenverkehr. Am Ende kommt es auf diese eine Stunde nicht an, die man wegen des Ladens verliert. Dafür gewinnt man Gelassenheit, wenn man auch den eigenen Akku zwischendurch wieder auflädt. Warum dann nicht zusammen mit dem E-Auto neue Energie tanken?